Wenn Frauen an alles denken sollen

Die Last der Verantwortung, auch mit dem englischen Begriff Mental Load wiedergegeben, tragen in Haushalt und Familie vor allem Frauen: Wer organisiert die Geburtstagsparty für die Jüngste? Wer sorgt dafür, dass der Kühlschrank immer gefüllt ist? Wer geht mit den Kindern neue Kleidung kaufen oder zum Arzttermin?

In den meisten Haushalten und Familien ist die Aufteilung recht traditionell. Den weitaus größten Teil dieser Aufgaben übernehmen Frauen. Sie tragen die Verantwortung dafür. Es sind unsichtbare vermeintliche Kleinigkeiten, die als Ganzes ein enormes Management erfordern. Die Aufteilung ist ungerecht und kann zu einer überfordernden mentalen Belastung werden.

„Du hättest doch bloß fragen müssen!‟

Einer größeren Öffentlichkeit ist der Begriff Mental Load durch einen Comic der französischen Bloggerin Emma bekannt geworden. Im 2017 veröffentlichten Webcomic mit dem deutschen Übersetzungstitel „Du hättest doch bloß fragen müssen!‟ illustriert sie eine Vorstellung, in der Frauen stets für die Organisation des Alltags verantwortlich zu sein scheinen, während Männer bestenfalls helfend eingreifen. Der Comic ist zugleich eine Aufforderung, nach Lösungen für eine gerechte Aufteilung von Aufgaben in einer Beziehung zu suchen.

Erfolgreiche Bücher der Autorinnen Patricia Cammarata und Laura Fröhlich zeigen ähnliche Erfahrungen. Die Titel weisen vor allem auf Wege zu besserer Partnerschaft: „Raus aus der Mental-Load-Falle. Wie gerechte Arbeitsteilung in der Familie gelingt“ und „Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles! Was Eltern gewinnen, wenn sie den Mental Load teilen“. Und auch in Blogs und anderen Veröffentlichungen wehren sie sich gegen überholte Rollenbilder, die Mär vom „bisschen Haushalt‟, einseitige Beziehungspflege und Gefühle, für die angeblich nur Frauen zuständig sind.

Selbsttests für Familie und Arbeitsplatz

Darüber hinaus ist Mental Load aber auch am Arbeitsplatz ein Thema. Die „gute Seele im Büro‟ fängt vieles auf, was eben nicht zum eigentlichen Arbeitsbereich gehört. Viele Aufgaben werden zudem Frauen egal in welcher Position zugeschoben: Sei es, an Geburtstage zu erinnern, die Team-Events zu organisieren oder die Dankesgeschenke für die externe Referentin oder den Referenten zu besorgen. Auf der Website zum Equal Care Day gibt es daher nicht nur einen Selbsttest für Mental Load in der Familie , sondern auch am Arbeitsplatz .

Der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat für Deutschland auch in Zahlen aufzeigt, dass Frauen wesentlich mehr Zeit für Care-Arbeit aufwenden. Frauen verwenden danach durchschnittlich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Bei Paaren mit kleinen Kindern ist der Unterschied noch deutlich gravierender. Gesellschaftliche Ursachen für eine ungleiche Verteilung der Care-Aufgaben sind schnell ausgemacht. Dazu gehören traditionelle Rollenbilder, die an Mädchen und Jungen weitergegeben werden, Männer, die mehr als ihre Frauen verdienen, und die geringe Wertschätzung von Care-Arbeit.

Sichtbarmachung des Unsichtbaren

Tipps, um Mental Load zu vermeiden, kommen von vielen Seiten. Ob Krankenkassen, Frauen- und Männermagazine, Eltern-Blogs oder Angebote zur Lebensberatung: Meist kreisen die Hinweise um die gleichen Themen. Es geht um Sichtbarmachung des Unsichtbaren durch entsprechende Listen, Planung des Familienalltags, die Bereitschaft Aufgaben abzugeben und Dinge auch einmal warten zu lassen. Das funktioniert selbstverständlich nur, wenn der Partner dabei mitmacht.

Die Entwicklung von mehr Geschlechtergerechtigkeit beginnt in Kinderzimmer, Kita und Schule. Die einseitige Zuschreibung der Fürsorge auf Mädchen schreibt Ungerechtigkeiten fort. Für eine grundlegende Veränderung muss zudem bezahlte und unbezahlte Care-Arbeit als Teil des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ganzen gesehen werden. Eine höhere Wertschätzung muss sich also auch ökonomisch und in finanzieller Hinsicht für die Einzelnen zeigen.

  • Ralf Thomas Müller

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