Noch vieles offen bei der „Vereinbarkeitsfrage“

Mütter und Väter leben häufig im Spagat zwischen Beruf und Familie

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist noch immer keine Selbstverständlichkeit, weder für Mütter noch für Väter. Eine neue Veranstaltungsreihe der Evangelischen Akademie im Rheinland wirft jetzt einen Blick auf die aktuelle Situation und möchte zur Vernetzung beitragen. In den sozialen Medien sind Beiträge zum Thema mit dem Hashtag #ArbeitnachderArbeit gekennzeichnet.

Begleitend zur Tagungsreihe werden hier auf der Website Statements von Müttern und Vätern veröffentlicht, die jeweils von ihren persönlichen Erfahrungen berichten. Die Reihe der Statements wird in losen Abständen ergänzt.

Die „Vereinbarkeitsfrage“ bleibt fast ausschließlich eine Frage der Frauen

Als meine Schwester und ich geboren wurden, wurde meine Mutter noch vor die Wahl gestellt: Entweder auch mit Kindern Vollzeit als Lehrerin weiterarbeiten oder den Beamtenstatus aufgeben. Verglichen damit haben sich die Bedingungen hierzulande für eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert: Es gibt Elternzeit, als Beamtin kann man sogar aus familiären Gründen für lange Zeiten beurlaubt werden. Verwandte und Bekannte aus dem Ausland staunen manchmal, wie Mütter und Eltern hierzulande geschützt und unterstützt werden durch Mutterschutzfristen, Elterngeld und Möglichkeiten der Teilzeitarbeit während der Elternzeit.

Also alles in Ordnung? Leider nein: Als eine wesentliche Herausforderung sehe ich nach wie vor, dass es nicht genügend (gute!) Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche gibt. Gerade gestern wurde mir bei der Anmeldung unserer Tochter im Kindergarten gesagt, dass zurzeit bei uns selbst die Plätze von Noteinrichtungen in Containern bei Weitem nicht reichen. Die Betreuungssituation von Schulkindern  am Nachmittag und in den Ferien sieht in unserer (Universitäts-)Stadt nicht viel besser aus. Hinzu kommt, dass Lehrkräfte an vielen Schulen ein Maß an „Mitarbeit“ von Eltern erwarten, das dazu führt, dass gerade Frauen ihre Erwerbsarbeit wieder reduzieren.

Dies zeigt zugleich: Die Hauptherausforderung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleiben die festbetonierten Rollenzuschreibungen, die dazu führen, dass die „Vereinbarkeitsfrage“ fast ausschließlich eine Frage der Frauen bleibt. Eine echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die nicht in der Erschöpfung endet, braucht andere Rahmenbedingungen, etwa eine deutliche Reduzierung der „Vollzeit“ für ALLE auf 30 Stunden, aber eben auch ein Aufbrechen von Geschlechterstereotypen und Beziehungsmustern. – Da ist noch sehr viel zu tun.

(Akademikerin, verheiratet, zwei Kinder)

Arbeitszeit, Familienzeit und Freizeit gehen immer mehr ineinander über

Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet für mich zum einen die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und im Homeoffice oder aber mobil unterwegs in Zug und Bahn zu arbeiten. Das bringt klare Vorteile durch Wegersparnisse und bei der Organisation von Familie und Haushalt. Andererseits diffundieren Freizeit und Familienzeit immer mehr mit der Arbeitszeit und beides lässt sich nicht mehr so klar trennen. Manchmal frage ich mich auch, wann ich mal offline gehen kann und nicht mehr für Kolleg*innen erreichbar sein muss. Hier schleifen sich gerade teils unbewusst neue Verhaltensformen und implizite Erwartungshaltungen ein. Eigentlich müssten hier mal Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite gemeinsam klären, wie das künftig gehandhabt werden soll. Manche Kolleg*innen haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie mal eine E-Mail nicht binnen einer Stunde beantworten. Dieser Stress müsste mit klaren Regelungen eigentlich nicht sein.

(Angestellte, 1 Kind)

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein ständiger Aushandlungsprozess

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein ständiger Aushandlungsprozess zwischen meinem Mann und mir: Wer arbeitet in welcher Lebensphase wie viel und wer übernimmt welche Anteile der Care-Arbeit? Regelmäßig geraten wir diesbezüglich auch aneinander und erstreiten uns Freiräume oder aber Unterstützung des jeweils anderen. Inzwischen sind wir ein ziemlich eingespieltes Team, doch sobald unvorhergesehene Ereignisse wie Kinderkrankheiten, plötzlicher Ausfall der Kinderbetreuung oder aber auch längere Abwesenheiten eines Elternteils wie Dienstreisen auftauchen, beginnt das Organisieren oft von vorne. Dabei mussten wir wiederholt feststellen, dass ein zusätzliches Netzwerk aus Familie und Verwandtschaft in solchen Fällen eigentlich unabdingbar ist.

Einigkeit herrscht bei uns darüber, dass Haus- und Care-Arbeit auch richtige und anstrengende Arbeit ist und dementsprechend auch Wertschätzung verdient. Gesellschaftlich gesehen besteht hier allerdings noch enormer Nachholbedarf. Auffällig wird das etwa beim Rollentausch: So wurde mein Mann häufig von den Erzieherinnen im Kindergarten gelobt, wie toll er das doch alles auf die Reihe bekommt, wohingegen das bei mir alles für selbstverständlich gehalten und mit keiner Silbe auch nur erwähnt wurde. Solche Erlebnisse machen mich immer noch wütend und nachdenklich zugleich.

(Angestellte, verheiratet, zwei Kinder)