Lieferkettengesetz: „Verhältnismäßig und zumutbar“

Internationale Haftung

Ein sogenanntes Lieferkettengesetz soll Unternehmen in Deutschland haftbar machen für schlechte Arbeitsbedingungen, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in ihrer gesamten weltweiten Lieferkette. Doch die Bundesregierung ist uneins darüber, wie dieses Gesetz aussehen kann. Die Industrieverbände versuchen die Haftung klein zu halten.

„Verhältnismäßig und zumutbar“ nennt die Initiative Lieferkettengesetz die Haftung von Unternehmen bei der Verletzung von Sorgfaltspflichten. Zur Initiative gehören zum Beispiel der Deutsche Gewerkschaftsbund, Brot für die Welt, Misereor, Greenpeace und das Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene.

Eigene Sorgfaltspflichten einhalten

„Wirtschaftsverbände behaupten wiederholt, dass Unternehmen aufgrund des Lieferkettengesetzes für das Verhalten von Dritten haften müssten“, erklärt Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz. „Dadurch erwecken sie den Eindruck, dass man Unternehmen für Vorgänge verantwortlich machen will, auf die sie keinerlei Einfluss haben.“ Doch das sei falsch. Sie sollten nur ihre eigenen Sorgfaltspflichten einhalten, und das sei zweifelsfrei möglich.

Die bisher bekannt gewordenen Vorschläge der Bundesregierung zur Haftung sehen nach Ansicht der Initiative zu viele Ausnahmen vor. Unternehmen müssten danach nicht für Schäden haften, die sie zuvor innerhalb ihrer Möglichkeiten versucht haben zu vermeiden. Unternehmen, die sich an die Vorgaben staatlich anerkannter Branchenstandards halten, seien zudem in den Eckpunkten von einer möglichen Haftung für fahrlässiges Verhalten ausgenommen.

Klage über Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände

Die Initiative beklagt die Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände. Sie wollten das derzeit diskutierte Lieferkettengesetz nur auf 280 große Unternehmen begrenzen und nur direkte Zulieferer einbeziehen. Außer Acht bleiben sollen danach auch Geschäfte in Ländern, mit denen die Europäische Union Handelsabkommen abgeschlossen hat. Eine zivilrechtliche Haftung solle grundsätzlich ausgeschlossen werden.

„Brennende Fabriken, ausbeuterische Kinderarbeit oder zerstörte Regenwälder: Deutsche Unternehmen müssen alles dafür tun, solche Zustände in ihren Lieferketten zu beenden“, heißt es dagegen bei der Initiative.

In einer gemeinsamen Erklärung betonen der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sowie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag zwar, dass die deutsche Wirtschaft weiter für einen konstruktiven Austausch bei der Ausgestaltung eines Lieferkettengesetzes bereitstehe. Doch will man die „Sorgfaltsanforderungen auf reine Menschenrechtsfragen und direkte überprüfbare Zulieferer begrenzen“.

65 Unternehmen unterstützen anspruchsvolle Regelungen

Eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für unabhängige Geschäftspartner im Ausland ist nach Ansicht der Wirtschaftsverbände realitätsfern. Diese verkenne auch die Komplexität globaler Lieferketten. Unternehmen könnten deshalb auch dafür nicht in Haftung genommen werden.

Doch auch in der Wirtschaft ist diese Haltung inzwischen umstritten. In einer vom „Business & Human Rights Resource Centre“ initiierten Erklärung heißt es: „Wir begrüßen es, wenn mit einem Sorgfaltspflichten-Gesetz in Deutschland der Weg für eine anspruchsvolle europäische Regelung geebnet wird.” Inzwischen 65 deutsche Unternehmen unterstützen dies, darunter Tchibo, Nestlé Deutschland und Hapag Lloyd.