„Einfach machen“ – mit Leidenschaft, Solidarität und Beratung

Ein Gespräch mit Bereichsleiter Matthias Schug von der Sprint-Genossenschaft

Sprint steht für Sprach- und Integrationsmittlung und ist als gemeinnütziges Unternehmen seit zweieinhalb Jahr eine Genossenschaft. „Für diese Rechtsform haben sich die Gründer bewusst entschieden, um Partizipation von Migranteninnen und Migranten auch in der Unternehmenskultur zu leben“, sagt Bereichsleiter Matthias Schug im Interview. Die Wurzeln von Sprint liegen in der Diakonie Wuppertal.

Was ist Sprint?

Sprach- und Integrationsmittlung ist kultursensibles Dolmetschen. Sprint-Dolmetscherinnen und Dolmetscher ermöglichen Verständigung zwischen Migrantinnen, Migranten und Fachkräften des Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesens. Sprint wurde bereits 2002 durch Achim Pohlmann, Leiter der Migrationsdienste der Diakonie Wuppertal, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsinitiative entwickelt. Heute besteht das Sprint-Netzwerk aus 19 Mitgliedern und Standorten, die Vermittlungsstellen für Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler betreiben oder Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler nach bundesweit einheitlichem Standard qualifizieren. Die Zertifizierung zum Sprint bedeutet eine 18-monatige Qualifizierung mit mehr als 2.100 Unterrichtsstunden. Die Koordination der Qualifizierungen und des Aufbaus neuer Standorte im Bundesgebiet erfolgt über die Sprint gemeinnützige Genossenschaft mit Sitz in Wuppertal.

Welche Aufgaben in welchen Arbeitsfeldern nimmt Sprint wahr?

Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler dolmetschen für Migrantinnen, Migranten und Fachkräfte des Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesens. Gleichzeitig lösen sie Missverständnisse auf oder assistieren durch die Vermittlung von Fach- oder Kulturkenntnissen. Sie haben ein breiteres Aufgabengebiet als die Verdolmetschung und sind in vielen Städten und Kommunen ein wesentlicher Bestandteil von Integrationsketten. Denn mit gegenseitiger Verständigung geht es beim Arzt oder bei Behördengängen wesentlich schneller und unkomplizierter.

Können Sie am Beispiel zeigen, wo Ihre Arbeit im Moment besonders gefordert ist?

Deutschland hat sich in den letzten Jahren sehr verändert, während noch vor circa 15 Jahren die faktische Einwanderung negiert wurde, wird heutige offen von einer Einwanderungsgesellschaft, ihren Möglichkeiten und Herausforderungen gesprochen. Die Migrations- und Integrationspolitik hat sich in den letzten Jahren grundsätzlich geändert, auch bedingt durch die EU-Erweiterung.

Langsam hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass in einer offenen Gesellschaft die Teilhabe gleichberechtigt ermöglicht werden muss, unabhängig von Aufenthaltstiteln. Integration kann nicht erst bei dem Erreichen eines verfestigten Aufenthaltstitels beginnen, sondern muss schnellstmöglich nach der Einreise erfolgen. Der hohe Zuzug von Flüchtlingen zwischen 2015 und 2017 hat diesen Integrationsprozess noch einmal neu definiert und alle Beteiligten vor neue Herausforderungen gestellt.

Unsere Einwanderungsgesellschaft muss allen Menschen den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen, Arbeit und Bildung sowie Sozialversorgung bieten, egal aus welcher Kultur diese Menschen kommen oder welche Sprache sie sprechen. Sprachliche Barrieren und kulturelle Unterschiede verhindern oft eine adäquate, schnelle und zielorientierte Lösung.

Die meisten Fachkräfte aus dem Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsbereich sind auf die Besonderheiten in der Kommunikation mit Neuzuwanderern nicht vorbereitet, obwohl eine angemessene Kommunikation in der Herkunftssprache essentielle Voraussetzung in der Arbeit mit dieser Gruppe ist. Fehlende Orientierung und Kommunikationsmöglichkeiten von Menschen mit Migrationsvorgeschichte in der Aufnahmegesellschaft und inadäquate Sprachmittlung verursachen Ineffizienz und zusätzliche Transaktionskosten.

Professionelle Sprachmittlung ist ein wichtiger Mosaikstein im neu ausgerichteten Integrationsprozess um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. So führte der stellvertretende Vorstand des Jobcenters Wuppertals, Dr. Kletzander anlässlich der Bundesfachtagung von Sprint im April 2018 in der Thüringischen Landesvertretung in Berlin aus: „Ohne die Möglichkeit des Einsatzes von Sprint wären wir auf verlorenen Posten gewesen“.

Sprint soll und muss ein Bestandteil jeder Integrationskette sein. Verständnis erzeugt bei Migrantinnen und Migranten eine signifikant höhere Bereitschaft zur Kooperation und entlastet die Fachkräfte.

Während Sprint zunehmend in den Bereichen Jugend, Bildung, Soziales, Gesundheit eingesetzt wird, haben niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten keine Möglichkeit diese Dienstleistung abzurechnen und rufen dringend nach Lösungen. Doch es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage, damit die Krankenkassen die Kosten von Sprint bezahlen.

Aktuell behelfen sie sich mit fremdsprachigem Personal, welches dann an anderer Ecke fehlt. Oder sie greifen auf die Angehörigen der Patientinnen und Patienten zurück. Was das für die Privatsphäre bedeutet, gerade in Kulturen, die niedrigere Schamgrenzen haben, kann man sich vorstellen. Hier muss dringend etwas passieren. Es gibt zahlreiche Studien dazu, welche fatalen Folgen schlechte Verdolmetschung für Diagnose und Heilprozess haben.

Um Sprach- und Integrationsmittlung flächendeckend im Bundesgebiet anbieten zu können ist es aber noch ein weiter Weg. Zunehmend wird Sprint in Integrationsrichtlinien und Konzepte von Ländern und Kommunen verankert, doch der Aufbau von professionellen Vermittlungsdiensten in den Kommunen erfordert viel Beratung, Ressourcen und Beharrlichkeit und natürlich entsprechendes Kapital. Hier ist die Genossenschaft auf Spenden und Förderungen aus verschiedenen europäischen Sozialfonds angewiesen.

Matthias Schug

Matthias Schug

Sprint hat sich aus der Diakonie Wuppertal heraus entwickelt und hat jetzt die Rechtsform einer Genossenschaft. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

„Mehrere kleine Kräfte vereint bilden eine große Kraft, und was man nicht allein durchsetzen kann, dazu soll man sich mit anderen verbinden.“ Diesen Satz prägte der Gründervater des Genossenschaftswesens, Hermann Schulze-Delitzsch bereits vor über 150 Jahren.

Nachdem Sprint nicht nur in Wuppertal gewachsen ist, sondern sich zu einem bundesweiten Netzwerk mit jahrelanger Erfahrung entwickelt hatte, wurden zunehmend die Grenzen eines örtlich verankerten Wohlfahrtsverbandes für die weitere Entwicklung und Professionalisierung von Sprint deutlich. Der heutige geschäftsführende Vorstand der Genossenschaft, Achim Pohlmann, konnte prominente Mitstreiter für die Gründung der heutigen Unternehmensform gewinnen.

Zu den Gründungsmitgliedern der Genossenschaft zählen die ehemalige Bundestagspräsidentin Professorin Rita Süssmuth, der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland Manfred Rekowski, der Direktor der Diakonie Wuppertal Pfarrer Dr. Martin Hamburger, aber auch Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler. Das erforderliche Startkapital wurde von mehreren Beteiligten aufgebracht, unter anderem durch die rheinische Landeskirche und Frau Süssmuth sowie durch verschiedene Einzelspenden.

Anlässlich eines Klagegottesdienstes der Evangelischen Kirche im Rheinland am 25. April 2015 zu den tödlichen Flüchtlingsdramen im Mittelmeer wurde in Wuppertal durch Achim Pohlmann erstmalig die Sprint Dienstleistung als anvisierte Genossenschaft vorgestellt.

Getreu dem Motto von Hermann Schulze-Delitzsch,…“mehrere kleine Kräfte vereint bilden eine große Kraft“…, erfuhr die Gründungsidee des gemeinsamen und solidarischen Miteinanderhandelns um Integration besser zu gestalten viel Zuspruch, so dass im Dezember 2015 die Genossenschaft in Wuppertal gegründet werden konnte.

Für diese Rechtsform haben sich die Gründer der Sprint-Genossenschaft bewusst entschieden, um Partizipation von Migranteninnen und Migranten auch in der Unternehmenskultur zu leben. Aktuell sind 45 Mitarbeitende aus mehr als 20 verschiedenen Herkunftsländern, zumeist qualifizierte Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler, an wichtigen Entscheidungen des sozialen Unternehmens beteiligt. Alle Mitarbeitenden sind Mitglied in der Genossenschaft und sozialversicherungspflichtig angestellt, Honorarverträge werden grundsätzlich nicht ausgestellt.

Welche Vorteile bietet die Genossenschaft für die Arbeit als gemeinnütziges Dienstleistungsunternehmen?

Wie ich schon sagte, bestimmen Mitarbeitende mit! Das ist ein wichtiger Faktor bei der Identifikation mit dem gemeinnützigen Unternehmen. Die Sprach- und Integrationsmittlerinnen und -mittler sind ihrer Firma sehr zugetan und packen an, wo es nötig ist. Ferner fördert unsere Genossenschaft die Sprachmittelnden, da wir sie von buchhalterischen Fragen entlasten und die Kundenbetreuung übernehmen.

Die erwirtschafteten Gelder ermöglichen den Mittelnden faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen. Die Teilnahme an einer angebotenen Gruppensupervision wird gewünscht, regelmäßige Teambesprechungen stärken die einzelnen Mitarbeitenden in der Ausübung der anspruchsvollen Tätigkeit. Die Sprint als gemeinnützige eingetragene Genossenschaft erwirtschaftet keine Gewinne, alle Erlöse werden in die Weiterentwicklung der Dienstleistung und durch die Löhne verausgabt. Die Genossenschaft verfolgt eine schlanke Hierarchie.

Sprint ist Mitglied im „Genossenschaftsverband – Verband der Regionen“. Im Verband sind sehr unterschiedliche Branchen organisiert – zum Beispiel aus dem Kreditwesen, der Landwirtschaft und dem Handel. Was kann ein Genossenschaftsverband für seine Mitglieder tun?

Sprint ist ein Wirtschaftsunternehmen, zwar gemeinnützig und solidarisch handelnd, aber ist wie jedes andere Unternehmen den gleichen Grundsätzen und Notwendigkeiten eines erfolgreichen wirtschaftlichen Handelns unterworfen. Durch den Genossenschaftsverband erfahren wir hierbei viel Beratungsexpertise, die insbesondere im Gründungsprozess der Genossenschaft sehr hilfreich war. Sei es bei Abrechnungsfragen, Datenschutz oder Öffentlichkeitskonzepten. Auch bekommen wir Kontakt zu anderen Genossenschaften und können uns austauschen und voneinander lernen. Der Verband wirbt für die starke Marke der Genossenschaften. Genossenschaften werden zu recht mit nachhaltigen und solidarischen Produkten und Dienstleistungen verbunden.

Haben Sie einen Ratschlag für andere, die ebenfalls eine Genossenschaft gründen wollen?

Einfach machen – Leidenschaft, die Solidarität der Genossinnen und Genossen und die Beratung des Verbandes helfen über Durststrecken hinweg.

Matthias Schug ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der „SprInt gemeinnützige eGenossenschaft“ und Bereichsleiter für den Transferbereich.